Wünsch Dir was

Wünsch Dir was!

Wir alle kennen Sprüche wie „…wir sind hier doch nicht bei wünsch‘ Dir was!“ oder „Das Leben ist halt kein Ponyhof ...“. Besonders oft bekommen wir das zu hören, wenn geäußerte Wünsche, Vorstellungen und Ziele übertrieben erscheinen. Oder im Widerspruch zu den Normen, Regeln oder Sichtweisen Anderer stehen.

 

Den Absendern solcher Sprüche geht es meist darum, „realistisch“ oder „im Rahmen“ zu bleiben. Die Entfaltung von Bedürfnissen ist halt nur solange akzeptabel, bis wir an Grenzen stoßen. Und weil wir mittlerweile viele solcher Rahmenbedingungen und Begrenzungen haben, finden Wünsche immer weniger Platz im Alltag.

 

Warum eigentlich?

Im Laufe unserer Sozialisation sind wir darauf konditioniert worden, private wie berufliche Bedürfnisse an das Leben in der Gesellschaft anzupassen. Im Großen und Ganzen ist das ja auch gut so. Es schützt uns schließlich davor, den eigenen Lebensentwurf allzu sehr auf Kosten anderer zu gestalten. (Na ja, mit Ausnahme einiger (krankhafter) Grenzfälle, die sich nicht darum scheren. Und um die sich in aller Regel die Psychologie oder die Justiz kümmert.)

 

Bei vielen von uns sind solche Sprüche allerdings derart tief verankert, dass wir verlernt haben, auf uns selbst zu hören. Mit dem Ergebnis, dass wir einen unbewussten Filter einsetzen. Noch bevor sich ein Wunsch überhaupt entwickeln kann. Wie ein installierter Wächter an der Tür zu unserem Verstand: „Wunsch - Du kommsch hier net rein!

 

Manchmal gelingt es einem Wunsch dann doch, durchzuschlüpfen. Allerdings ist spätestens, wenn wir ihn äußern möchten, der Türsteher wieder aufmerksam: „Wunsch - Du kommsch hier net raus!“. Natürlich ist unsere innere Stimme nur selten so direkt. Sie bedient sich lieber diplomatischer Formulierungen.

 

Verpackt in den unterschiedlichsten Varianten wie Prioritäten („ich muss jetzt erst mal was anderes ...“), Relativierungen („ist eigentlich nicht so wichtig ...“), Zweifel („ob das überhaupt möglich ist ...“) oder Bewertungen („darf ich das ...“). bleibt dadurch vieles ungehört und unbeachtet. Immer mit dem gleichen Resultat: Wir erlauben es uns einfach nicht.

 

Warum eigentlich nicht?

Erinnern wir uns zurück an unsere Kindheit. Das waren noch Zeiten... Ein Leben voller Wünsche und Träume. Alles erschien möglich. Es gab zwar auch damals schon Grenzen. Bei manchen etwas mehr, bei der Mehrzahl jedoch deutlich weniger als heute. In unseren Köpfen waren die meisten roten Linien noch nicht gezogen.

 

Wie lauteten Deine Berufswünsche? Pilot? Astronaut? Lokführer? Filmstar? Und? Welcher dieser Wünsche hat sich erfüllt?

 

Abgesehen von einigen Wenigen, die ihre Träume wirklich leben, beantworten heute die meisten diese Frage negativ.

 

Doch damals war uns das egal. Ob realistisch, machbar oder im Rahmen, spielte keine Rolle. Wir haben es uns einfach gewünscht. Es in unseren Fantasien ausgemalt.

 

Es ist kein Zufall, dass mir diese Zeilen in der Vorweihnachtszeit einfallen. Denn zweimal im Jahr hat unser Türsteher im Kopf offiziell Urlaub: Um die Weihnachtszeit (oder vergleichbaren Feiertagen bei anderen Religionen) und an unserem Geburtstag. Dann ist es wieder erlaubt, Wünsche zu äußern. Wir werden sogar danach gefragt. Und was machen wir? Denken wir uns Wünsche aus und äußern sie, als ob es keine Grenzen gäbe? Nein? Warum nicht?

 

Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, uns zurückzunehmen. Grenzen verinnerlicht. Den Fokus auf das Machbare, das Realistische gerichtet. Es fällt uns nicht mal mehr auf. Obwohl, hin und wieder blitzt es vielleicht durch: in unseren Sehnsüchten.

 

Kurze Momente, in denen wir uns ganz diesen Gedanken hingeben. Plopp. Doch schon im nächsten Moment landen wir wieder auf dem Boden der Tatsachen. Viel zu selten erlauben wir uns - oder ist es uns erlaubt - in eine grenzenlose Welt abzudriften. Das finde ich ausgesprochen schade. Denn beraubt um diese Fähigkeit, leidet unser kreatives Potenzial.

 

Von wegen Ponyhof

Wir alle kennen diese Knobel-Spiele, welche Kindern deutlich leichter fallen als Erwachsenen. Weil sie einfacher denken. Auch außerhalb des üblichen Schemas. Und dabei oft aus dem gewohnten Rahmen fallen. Ein Verhalten, welches uns Erwachsenen fremd geworden ist. Und falls doch noch vorhanden, verkneifen wir es uns lieber.

 

Dabei leben wir in einer Zeit, in der wir genau das (wieder) viel häufiger brauchen. Die Zahl der Möglichkeiten nimmt permanent zu. Während wir uns dagegen immer schwerer tun, aus gewohnten Denk- und Verhaltensmustern auszubrechen.

 

Kürzlich habe ich eine eindrucksvolle Luftaufnahme gesehen. Leider finde ich das Bild nicht mehr. Daher versuche ich es mit einer Beschreibung der Szene: Etwa in der Mitte des Bildes einer Prärie ein geöffnetes Gattertor. In der oberen Hälfte eine große Schafherde, die sich aus allen Richtungen auf das Tor zubewegt. Bedingt durch die Enge des Tores ist der Andrang vor und im Tor besonders groß. In der unteren Hälfte laufen die Schafe, die es durch das Tor geschafft haben, in Form eines Dreiecks wieder auseinander. Das wirklich bemerkenswerte an dem Bild: links und rechts des Gattertores gibt es überhaupt keinen Zaun. Nur das Gattertor in der Mitte! Trotzdem kommt keines der Schafe auf die Idee, einfach am Tor vorbei zu laufen.

 

Jetzt unterstelle ich mal, dass es der Fotograf ehrlich gemeint hat. Und den Zaun nicht einfach nachträglich wegretuschierte. Wäre schade, denn als Metapher finde ich es ziemlich brauchbar. Zumal im beruflichen Alltag immer wieder ein ähnliches Verhalten bei Führungskräften oder Mitarbeitenden zu beobachten ist.

 

Speziell in etablierten Unternehmen: Einfach mal etwas Neues ausprobieren? Lieber nicht! Die ausgetretenen Pfade verlassen? Wo würde das hinführen! Sich einmal gegen den Strom stellen? Viel zu gefährlich! Aus einem bestehenden Muster ausbrechen? Unvorstellbar!

 

Die Macht der Konditionierung

Es ist wie bei den Elefanten im Zirkus. Die an einen einfachen Holzpflock angebunden werden. Sie könnten ihn mit Leichtigkeit herausreißen und davonlaufen. Doch sie tun es nicht. Denn als Jungtiere waren sie mit schweren Eisenketten an Betonpfeiler angebunden. Jeder Versuch zu fliehen, wurde mit Schmerzen belohnt. Irgendwann ist dann die Motivation verkümmert. Und mit ihr der Sinn für weitere Versuche. Die Tiere haben sich ihrem Schicksal ergeben.

 

Wie viele von uns verfügen wohl über ähnliche Grenzen?

 

"I have a dream ..." (Martin Luther King)